Wie viele Stunden pro Tag fressen Pferde und was ist normal?

Jedes Mal, wenn man in den Stall fährt, steht das eigene Pferd vor der Heuraufe und manchmal fragt man sich, ob es überhaupt jemals eine Pause einlegt. Als PferdebesitzerIn ist man meist nur eine kurze Zeit des Tages im Stall und beobachtet dabei selten sein Pferd mehrere Stunden im Alltag. StallbetreiberInnen können im Gegensatz häufig die Tagesrhythmen von unterschiedlichen Pferden benennen. Ob es allgemeine Rhythmen in der Futteraufnahme bei Pferden gibt und welche Faktoren diese regeln, wird im weiteren Text näher betrachtet.

Futteraufnahme von Haus- und Wildpferd

Grundsätzlich nehmen Equiden ihr Futter in kleinen Portionen zu unterschiedlichen Tages- aber auch Nachtzeiten auf, wenn dies aufgrund der Haltung und Fütterung möglich ist. Im Durchschnitt fressen Haus- und Wildpferde laut Beobachtungen, zwischen 12 und 18 Stunden, abhängig davon wie „leicht“ die Nahrung zugänglich ist und wie viel davon vorhanden ist.

Wann artgerecht gehaltene Pferde ohne negative Fütterungserfahrung fressen und wann sie Pausen einlegen, hängt bei ständiger Futterpräsenz vorwiegend von der Witterung ab. Bei großer Hitze bzw. Mittagshitze suchen Pferde eher einen schattigen Unterstellplatz, als dass sie in der prallen Sonne auf der Weide stehen und grasen. Interessanterweise wurde bei uneingeschränktem Futterzugang in Boxenhaltung ebenfalls eine Art Rhythmus festgestellt, worin sich betroffene Pferde ihre Mahlzeiten über den Tag aufgeteilt hatten.

Wichtig: Die Intensität des Kauvorganges regelt weitgehend die Futteraufnahme. Konzentrierteres, einfacher aufzunehmendes Futter, wird auch in weit höheren Mengen gefressen. Dies kann zu einer Magenüberladung führen! Der Magen des Pferdes hat keine Dehnungsrezeptoren und gibt dem Pferd auch kein Sättigungsgefühl dadurch. Ein genereller Richtwert besagt pro kg dargereichten Raufutters, sollte die Fresszeit circa 45 Minuten sein. Hochgerechnet auf 24 Stunden wäre es allerdings besser, die Fressdauer etwas auszudehnen.

Biologische Steuerung des Fressverhaltens beim Pferd

Das Hirn, genauer das Stamm- und Zwischenhirn des Pferdes, entzündet im Groben den Wunsch zu Fressen in Form von Hunger oder übermittelt dem Pferd, dass es bei Sättigung eine Pause einlegen soll. Langfristig möchte der Organismus Pferd sein physiologisches Gewicht erhalten mit Schwankungen der Fetteinlagerungen in Phasen des Überschusses und in Nutzung der Reserven in Zeiten des Futtermangels, welche bei Wildpferden beobachtet wurden. Bei Hauspferden fehlen leider zum Thema Energieregulation eingehende Studien.

Beobachten kann man aber, dass Pferderassen je nach Ursprungsregion anderes Fressverhalten zeigen bzw. für andere Klimaregionen physiologisch ausgestattet sind. Ursprungsrassen aus kalten und klimatisch anstrengenden Regionen sind körperlich angepasst an ein geringes Nahrungsangebot und einfacher Energieerhaltung durch kleinere Körpergrößen angepasst ebenfalls an die Topografie der Region. Diese haben starke Kiefer und große Köpfe im Vergleich zum restlichen Körper, welche zur Aufnahme von faserreichen Ästen, Rinden und Wurzeln dienen, um die Defizite des Nahrungsangebotes zum Beispiel über den Winter auszugleichen. Sie haben eine allgemein geringere Körpergröße, nicht nur zur optimierten Energieerhaltung, sondern häufig auch um in kargen Gegenden in Senken leichter Schutz zu finden. Diese Rassen neigen bei der Haltung auf energiereichen Weiden ohne deutliche Belastung recht schnell zu starkem Übergewicht, da diese „Robustrassen“ physiologisch für andere Klimagebiete optimiert sind. Sie haben sich genetisch für das Knabbern an Dornen, Ästen und Blättern entwickelt und mitteleuropäische Leistungsgräser stünden eigentlich gar nicht auf ihrer Nahrungsliste. Dies führt meist zu deutlichem Übergewicht dieser Rassen, welches fortschreitend zu Stoffwechselerkrankungen und einer verkürzten Lebensdauer führen kann.

Psychologische Steuerung des Fressverhaltens beim Pferd

Wenn es allerdings eine grundsätzliche Regulation im Pferd gibt, wie kann es sein, dass es übergewichtige Equiden auf den Weiden zu finden sind? Dies ist ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren wie dem Energieverbrauch (Witterung, Bewegung, Jahreszeit), Pferdetyp (Rasse, Genetik, Körpergröße, Gesamtumsatz an Energie), Alter, Gesundheitszustand, Art und Nährwert des Futters sowie der Fressdauer. Auch psychologische Faktoren spielen hierbei eine wichtige Rolle wie der Stress (Herdengröße, Anzahl der Futterplätze, negative Erfahrungen und Traumata, Schmerzen).

Ein häufiger Stressor ist Hunger und dieser kann unabhängig von der Haltungsform auch bei uneingeschränktem Zugang zu Heu entstehen. Hunger ist dann belastend, wenn er nicht aus einer gewissen „Freiwilligkeit“ resultiert. Beispiele dazu wären bei einem rangniedrigen Tier in einer Herde mit zu wenigen Futterplätzen. Das Pferd hat ständig Hunger, kann diesen aber nie ausreichend befriedigen, weil es immer auf der „Flucht“ vor den anderen Pferden sein muss. Dies kann sich auf Dauer auf die Psyche des Pferdes niederschlagen. Es ist weniger leistungsbereit, müde, unausgeglichen, schreckhaft, lernt langsamer und kann auch eine Erkrankung des Magen-Darmtraktes zur Folge haben. Im Gegensatz dazu steht ein anderes Pferd in der Mittagshitze lieber unter einem schattigen Baum trotz leichtem Hungergefühl, weil es wartet, bis es etwas kühler wird und es sich dann wieder dem Gras uneingeschränkt und ohne Kampf widmen kann.

Hunger leiden über einen längeren Zeitraum kann bei Pferden ein Trauma auslösen und das Fressverhalten somit nachhaltig beeinflussen. Hat das Pferd über Jahre hinweg aus unterschiedlichen Gründen zu wenig Futter bekommen und täglich Hunger leiden müssen, werden sich gewisse Verhaltensweisen manifestieren, die dann auch bei ausreichend Futterzugang schwer wieder abgelegt werden. Dies startet in gewissem Maße einen Kreislauf, der schwer durchbrochen werden kann. Ein hungerndes Pferd beginnt zu stopfen und weit über dessen Bedarf zu fressen. Eine natürliche Regulierung der Futteraufnahme wird durch den psychologischen Faktor überschrieben und unkontrollierbar und benötigt die Kontrolle durch den Menschen. Diätmaßnahmen führen aber wieder zu großen Stress für das Pferd.

Artgerechte vs. Individuelle Haltungsform

Das grundlegende Ziel jedes Pferdemenschen ist es, sein Tier über lange Jahre gesund und fit zu erhalten. Was einem als „artgerechte“ Pferdehaltung erscheint, bedeutet allerdings nicht für jedes Pferd auch ein gesundes, langes Leben. Natürlich würden wir uns wünschen, jedes Pferd entsprechend seiner Genetik und Anlage ideal zu halten und zu füttern, aber im Grunde ist es nur eine Annäherung an ein „artgerechtes“ Leben. Viel mehr muss man die individuelle Situation, den Lebenslauf des Pferdes und dessen Erfahrungen stärker gewichten in der Entscheidung der Haltungsform als alle allgemeinen Kenntnisse der Pferdeernährung und deren Lebensweisen. Einem Pferd auf einer kargen, mitteleuropäischen Almwiese, welches noch nie Hunger leiden musste und bei fehlender Nährstoffzufuhr supplementiert wird, ist vermutlich näher an einem langen und gesundem Pferdeleben dran als ein Shetlandpony 24 Stunden täglich vor einer Siloraufe. Selbstregulierende Futteraufnahme ist aufgrund des menschlichen Einflusses und der Grundvoraussetzungen durch die hohen Energiedichten der meisten Futtermittel (wie auch Leistungsgras usw.) in unseren Breiten kaum möglich. Unser Pferd als „Dauerfresser“ kann nur mehr durch in situ angepasstes, bedarfsgerechtes Stallmanagement gesund erhalten werden.